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Kerala: Im Rhythmus des Flusses

Kerala: Alles fließt und schwingt im Rhythmus des Flusses

Kerala: Alles fließt und schwingt im Rhythmus des Flusses

Die Backwaters im indischen Kerala sind ein faszinierendes Labyrinth aus Kanälen, Flüssen und Seen. Eine Erfahrung – auf 75 Kilometern, zwischen den Küstenstädten Kochi und Kollam.Klitsch, klatsch. Sie sind zu hören, noch bevor man sie sieht. Fast lautlos gleitet das Ruderboot durch den Kanal, links und rechts ziehen Cashewnussbäume vorbei. Das Boot hinterlässt eine Schneise im Teppich afrikanischen Mooses, der die Wasseroberfläche bedeckt.

Da wieder: klitsch, klatsch. Hinter der nächsten Flussbiegung tauchen sie auf: Drei Mädchen in leuchtend bunten Saris, die bis zur Hüfte im Wasser stehen und Wäsche waschen. Sie lächeln, wir winken, sie winken zurück, kichern und beugen sich wieder über Kernseife und Tuch. Klitsch, klatsch.

Das Schlagen nasser Wäsche auf Stein markiert den Rhythmus dieser Reise durch die Backwaters im südindischen Bundesstaat Kerala. Es ist ein gleichmäßiger, fast meditativer Rhythmus – wie gemacht für die behutsame Annäherung an ein Land, dessen Farben, Bilder und Gerüche zu überwältigend sind, um sie auf einen Schlag aufnehmen zu können.

„God‘s own country“ nennen die Bewohner Keralas ihr Land stolz, und tatsächlich ist der schmale Streifen zwischen Arabischem Meer und den Bergen der Westghats mit vielem gesegnet: Lebenserwartung und Pro-Kopf-Einkommen liegen weit über dem nationalen Durchschnitt, die üppige tropische Landschaft und die Bergketten, auf denen Tee, Pfeffer und Kardamom wachsen, begeisterten schon die alten Sumerer und Griechen.

Land der Palmen

Die Kokospalme ist in Südindien so etwas wie die eierlegende Wollmilchsau: Sie liefert Palmstroh für Dächer und Öl zum Braten. Der Saft der Palme wird zu Toddy-Most vergoren, das Wasser der noch grünen Frucht ist ein beliebtes Erfrischungsgetränk. Und Kokosfleisch und Kokosmilch fehlt in kaum einem Gericht der keralesischen Küche. Ehrensache, dass auch die Kokosmilch für das scharfe Curry, das Vijos Mutter den Gästen abends auf Bananenblättern serviert, aus dem eigenen Garten stammt.

„Kerala bedeutet Land der Kokosnüsse““, erklärt Vijo. „Hier gibt es so viele Kokospalmen wie Sterne am Himmel.“ Wer das überprüfen will, beginnt am besten direkt nach Einbruch der Dunkelheit. Denn die Nächte sind kurz in Kerala – und die Tage beginnen früh, schon allein wegen des lautstarken Konzerts, das die Vögel mit dem ersten Morgengrauen anstimmen. Die Sonne hat eben erst die Spitzen der Baumwipfel rosa gefärbt, da ist das ganze Dorf schon auf den Beinen.

Der Hausherr sitzt auf dem Bootssteg und blättert in der Zeitung, der Nachbar nimmt ein morgendliches Bad im Fluss und in der kleinen Garküche dampfen Dosas, dünne, mit Gemüse gefüllte Pfannkuchen. Eine leichte Brise trägt Tempelmusik und Glockengeläut über den Fluss, von fern ruft ein Muezzin. 60 Prozent der Bewohner Keralas sind Hindus, 22 Prozent Muslime, 18 Prozent Christen und die Religionen mischen sich ganz selbstverständlich.

Vom Göttlichen kann es nie genug geben, und so entzündet man zuerst ein Öl-Lämpchen vor dem Krishna-Schrein und behängt dann die Christus-Figur mit einer Kette aus schwer duftenden Jasminblüten. Wenn alles fließt, verschmelzen auch die Religionen. Nach wenigen Tagen erscheint einem das so selbstverständlich wie die Jesusstatue auf der Kirchenkuppel, die sich mit einem Regenschirm vor der sengenden Sonne schützt.

Ayurveda in Kovalam

Klitsch, klatsch. Diesmal stammt das Geräusch nicht von nassen Kleidern, die gegen Stein geschlagen werden, sondern von den Händen der Masseurin. In gleichmäßigen, synchronen Bewegungen streicht sie über Arme, Beine und Schultern. Der erdige Duft erwärmten Kräuteröls zieht durch die Hütte. Der Ayurveda-Heilkunst zufolge haben die Kräuter reinigende Wirkung; die Ganzkörpermassage soll den Kreislauf in Schwung bringen und so helfen, die Gifte aus dem Körper zu waschen.

Seit die Europäer die Lehre von den drei Doshas, den Wirkungsprinzipien Vata, Pitta und Kapha, für sich entdeckt haben, boomt in Kerala der Gesundheitstourismus. Im Badeort Kovalam, fast an der Südspitze des Kontinents, bieten Edelresorts exklusive Komplettbehandlungen, inklusive Diätplan, Yoga-Unterricht und abendlichem Show-Programm mit Feuerschluckern an.

Auch Vijo Job hat im Garten seines Großvaters eine Massage-Hütte aufstellen lassen; die Masseure, die aus dem nächsten Dorf anreisen, haben eine vergleichbare Ausbildung genossen wie das Personal. „Aber wir wollen keinen Rummel, sondern wahre Entspannung“, stellt er klar.

Das Wichtigste lehrt ohnehin der Fluss. Um Körper, Seele und Geist wieder in Einklang zu bringen, müssen die Energien, genau, fließen. Klitsch, klatsch. Oder: Panta rhei.

Text: Julia Macher
Bildquelle: Indisches Fremdenverkehrsamt

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