Test & Rat

Vermiesten Ferien folgt das große Klagen

Das Warten auf einen verspäteten Flug kann ärgerlich sein

Das Warten auf einen verspäteten Flug kann ärgerlich sein

Millionen Deutsche packen jedes Jahr die Koffer: Die große Reisewelle beginnt schon zu den Osterferien. Doch nicht jeder Urlauber findet in den schönsten Woche des Jahres sein Glück: Rund 900 000 Pauschaltouristen klagen pro Jahr über Ferien mit Schattenseiten.
„Im Schnitt reklamieren zwei von einhundert“, weiß der Tourismusexperte Th. Michael Schweizer, der – zusammen mit dem führenden Reiserechtler Professor Ronald Schmid – die 222 wichtigsten Reiseurteile in einem Buch („Wenn Sterne lügen“, 176 Seiten, 14,95 Euro) zusammengetragen hat. Doch auch bei Individualreisenden staut sich viel Reiseärger: Die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) legte allein im ersten Halbjahr 2016 mehr als 5400 Akten von frustrierten Passagieren an.

Ungezählte Fluggäste resignieren aber auch Saison für Saison: Allein in Deutschland verschenkten Kunden von Fluglinien 2015 rund 720 Millionen Euro, weil sie – etwa bei Verspätungen – berechtigte Ansprüche nicht durchsetzten. Wie viel Reiseärger insgesamt vor dem Kadi landet, weiß auch der langjährige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht (DGfR) nicht. Doch andere Zahlen sind bekannt: Die rund 2500 deutschen Reiseveranstalter und knapp 10 000 Reisebüros organisieren den Bundesbürgern pro Jahr 45 Millionen längere Urlaubsreisen.

Sie handelten sich dabei „Jahr für Jahr einen Container voll Beschwerden ein“, sagt Schweizer mit Blick auf die Personalstärke der Kundendienstabteilungen der großen Ferienfabriken. Bis zu 1000 Mitarbeiter bearbeiten bei TUI, Thomas Cook & Co. Urlauber-Post. Dass Beschwerden meist Erfolg haben, zeigt eine repräsentative Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ): Danach ärgerten sich sechs von zehn Urlaubern während ihrer Ferien schon einmal über Qualitätsmängel. Brachten sie diese allerdings zur Sprache, hatten sie meist Erfolg: 71 Prozent erreichten ihr Ziel. Andererseits nahm jeder vierte Tourist Mängel einfach so hin. Diese Urlauber waren der Meinung, dass „Beschwerden generell nichts bringen“.
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Was Veranstalter sagen müssen

Doch das stimmt nicht: Bis zu unglaublichen 150 Prozent lassen sich bei berechtigtem Ärger vor dem Richtertisch herausholen – weiß man wie. Insgesamt finden sich in dem Nutzwert-Schmöker Antworten auf Hunderte von Fragen. Selbst auf die ausgefallensten: Geklärt wird beispielsweise, ob Hartz-IV-Empfänger ohne Genehmigung verreisen dürfen, die Mitnahme von eigenem Schnaps auf einer Kreuzfahrt erlaubt ist oder ein Reiseveranstalter über die Einfuhrbestimmungen von Medikamenten informieren muss.

Auch ob es für eine Notlandung Schmerzensgeld gibt oder Flugangst Grund für einen Reiserücktritt ist, klärt das witzig illustrierte Buch, das – allem Ernst der Anliegen zum Trotz – immer wieder auch zum Schmunzeln anregt. Wie etwa im Fall jener Sächsin, die nach Porto wollte, aber – dialektbedingt – in Bordeaux landete.

Auch bei Billigflug: Ausgleich bei Absage

Es kommt immer wieder vor: Billigflieger streichen Flüge – und drücken sich um die Fluggästen zustehenden Ausgleichzahlungen mit fadenscheinigen Argumenten. Gerne verweisen die Fluggesellschaften dann auf „außergewöhnliche, nicht zu vermeidende Umstände“ – etwa schlechtes Wetter, das die Durchführung einer Passage verhindert hätte. Das Amtsgericht Geldern (Aktenzeichen 4 C 241/07) schaute nun etwas genauer hin – und verdonnerte eine Discount-Airline zu der gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichszahlung von 250 Euro, die drei Fluggäste eingeklagt hatten.

Das Unternehmen, das den gebuchten Flug von Weeze am Niederrhein nach Shannon in Irland abgesagt hatte, verwies auf das zu schlechte Wetter im spanischen Girona, von wo aus die Maschine Kurs auf Deutschland hätte nehmen sollen. Ausschlaggebend seien nicht die Verhältnisse dort, so die Richter. Auch Niedrigpreisgesellschaften hätten für bestimmte Abflugzeiten abgeschlossene Beförderungsverträge zu erfüllen.

Discolärm muss man nicht erdulden

Discolärm nach Mitternacht ist ein Reisemangel. Das zeigt ein Urteil des Amtsgerichtes Duisburg (Aktenzeichen 33 C 3534/05), das Pauschalurlaubern eine Minderung des Reisepreises von 30 Prozent pro lärmgestörten Reisetag zusprach. Deren Hotelzimmer in Portugal lag nur 70 Meter von einem Zeltlager für Jugendliche entfernt, in dem sechs Nächte lang bis morgens um sechs Uhr eine Open-Air-Disco dröhnte.

Bußgeld bei eigenmächtiger Schulferien-Verlängerung

Bleiben grundschulpflichtige Kinder über die Ferien hinaus der Schule länger fern, droht den Eltern ein Bußgeld. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Aktenzeichen 9 S 2735/04) bestätigte die Entscheidung eines Schulleiters, der eine Verlängerung des Urlaubs um zwei Wochen ablehnte, ohne die eine Neuseeland-Reise der Familie aber nicht möglich gewesen wäre. Denkbar, so die Richter, sei allenfalls eine kurzfristige Beurlaubung vom Unterricht vor und nach den Schulferien. Auch ungünstige Flugtermine seien kein Grund, die Ferien eigenmächtig zu verlängern.

Buchtipp: Wenn Sterne lügen – Die 222 wichtigsten Reiseurteile, ideemedia-Verlag, 176 Seiten, 14,95 Euro, www.ideemediashop.de

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